George Steinmetz

Den Planeten ernähren

Kirche St. Peter

Seit dem Beginn der Domestizierung von Pflanzen vor etwa 11 000 Jahren hat der Mensch 40 Prozent der Erdoberfläche in Ackerland umgewandelt. Da die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 voraussichtlich 9,7 Milliarden Menschen erreichen wird und der Lebensstandard in den sich rasch entwickelnden Ländern steigt, muss die weltweite Nahrungsmittelversorgung voraussichtlich verdoppelt werden. «Feed the Planet» ist ein auf zehn Jahre angelegtes Projekt, in dem untersucht wird, wie die Welt die rasch wachsende Herausforderung der Ernährung der Menschheit bewältigen und gleichzeitig unsere natürliche Umwelt und die Tierwelt schützen kann. In vielen Fällen unternimmt die Lebensmittelindustrie erhebliche Anstrengungen, um zu verhindern, dass wir sehen, wie unsere Lebensmittel produziert werden. Der Zugang zu diesen Informationen ist von zentraler Bedeutung für die persönlichen Entscheidungen, die wir in Bezug auf unsere Ernährung treffen und die in ihrer Gesamtheit enorme Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dieses Projekt soll zeigen, wie unsere Lebensmittel produziert werden, damit wir alle fundiertere Entscheidungen treffen können.

George Steinmetz ist ein in New Jersey ansässiger Dokumentarfotograf, der mehr als 40 grosse Fotoessays für National Geographic aufgenommen hat. Drei Mal wurde er mit einem World Press Photo Award ausgezeichnet und er wurde für seine Arbeit mit den Environmental Vision Award von Pictures of the Year und einer Auszeichnung des Overseas Press Club geehrt. 2008 wurde er von National Geographic zum Abenteurer des Jahres ernannt und hat auf Instagram eine Million Follower.

George ist vor allem für seine Luftaufnahmen bekannt, bei denen er sowohl Drohnen als auch einen motorisierten Gleitschirm verwendet, mit denen er einzigartige Bilder von Orten einfangen kann, die für herkömmliche Flugzeuge unerreichbar sind. Seine rastlose Neugier auf das Unbekannte trieb ihn als jungen Mann dazu, per Anhalter durch Afrika zu reisen, und ist die Triebfeder für sein aussergewöhnliches Werk, das entlegene Landschaften, den Klimawandel und die globale Nahrungsmittelversorgung umfasst.

Curated by Lois Lammerhuber / Printed by CEWE

Nachhaltiges Entwicklungsziel (SDG) 2: Kein Hunger

Entdecken Sie hier Beiträge der ETH Zürich zum Nachhaltigen Entwicklungsziel (SDG) 2:

Alternative Lebensmittel

Alexander Mathys

Das Aufwachsen auf einem Bauernhof vermittelte Professor Alexander Mathys schon früh Einblicke in die Lebensmittelproduktion. Jahre später, nachdem er sein Studium abgeschlossen und unter anderem in der Industrie gearbeitet hatte, spezialisierte er sich auf die Forschung zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen und Lebensmitteltechnologien.

Alexander Mathys’ Arbeit basiert auf der Erkenntnis, dass eine überwiegend fleischbasierte Ernährung massiv zur Umweltzerstörung beiträgt, indem sie die Ressourcen erschöpft und die Luft, das Süsswasser und den Boden verschmutzt. Die Produktion von genügend Nahrungsmitteln, um den Bedarf einer wachsenden Bevölkerung zu decken, ist eine der Hauptursachen für Umweltschäden – und dennoch erreichen die Nahrungsmittel nicht alle, die sie brauchen: 828 Millionen Menschen auf der ganzen Welt leiden Hunger.

Für Alexander ist es äusserst wichtig, dass seine Forschung allen Menschen zugutekommt, insbesondere denjenigen, die bereits unter anhaltenden und sich verschärfenden Krisen leiden.

Nachhaltige, bezahlbare und gesunde Lebensmittel für alle

Als Leiter des Forschungsteams «Sustainable Food Processing» an der ETH Zürich sucht Alexander nach Alternativen zu tierischen Lebens- und Futtermitteln, die nachhaltiger, erschwinglicher und nahrhafter sind. Er verfolgt einen systemischen Ansatz, indem er die Lebensmittelproduktion im Kontext der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet und dabei sowohl die sozialen Bedürfnisse als auch die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen berücksichtigt.

Diese Forschung hat bestimmte Arten von Mikroalgen als vielversprechende Proteinquellen ins Visier genommen, und Alexander erforscht nun erschwinglichere Möglichkeiten der Produktion von Mikroalgen, um den menschlichen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Er hat auch die Verwendung von Insekten als nachhaltige Nahrungsmittel für Mensch und Tier untersucht. Auch wenn der Gedanke in vielen Menschen sogar Ekelgefühle hervorruft, sind Insekten in vielen Teilen der Welt bereits Teil der Ernährung, enthalten viel Eiweiss und lassen sich effizienter züchten als herkömmliche Fleischquellen.

Eine fleischlose Ernährung: die Lösung?

Alexander plädiert für weniger tierisches Eiweiss in unserer Ernährung. Seine Forschung zeigt, dass diese Änderung der Ernährungsgewohnheiten der Umwelt und der sozialen Nachhaltigkeit weltweit zugute kommen kann – Hand in Hand mit den laufenden Bemühungen, die landwirtschaftliche Produktion durch technologische und politische Verbesserungen effizienter zu gestalten.

Eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten bedeutet nicht überall das Gleiche. In einigen Regionen Afrikas südlich der Sahara und Südasiens ist es beispielsweise wichtig, die Aufnahme nährstoffreicher Lebensmittel zu erhöhen, um einen Mangel an wichtigen Nährstoffen zu beheben. In Nordamerika und Europa hingegen wäre es für die Menschen und den Planeten gesünder, viel weniger Fleisch zu essen. Um die Ernährungsgewohnheiten zu ändern, bedarf es nicht nur der Aufklärung, sondern auch der Lobbyarbeit, um günstige politische Bedingungen zu schaffen – zum Beispiel um umweltschädliche Produkte zu regulieren und umweltfreundlichere Produkte zu subventionieren.

Alexander ist der Meinung, dass gesunde und nachhaltige Ernährung kein Luxus sein darf.

«Wir brauchen neue und bezahlbare proteinreiche Lebensmittel, um gesund zu leben»

Alexander Mathys, Leiter des Labors für nachhaltige Lebensmittelverarbeitung an der ETH Zürich

Ein agrarökologisches Ernährungssystem

Kenza Benabderrazik

Dr. Kenza Benabderrazik wuchs in Marokko auf, wo Lebensmittel eine reiche Kulturgeschichte und eine starke Verbindung zur Natur haben. Die marokkanische mediterrane Ernährung wurde von den Jahreszeiten und ökologischen Gegebenheiten geprägt. Kenza erfuhr, was in der Umwelt geschah, durch das, was auf ihrem Teller landete.

Wie kann ein Lebensmittelsystem widerstandsfähig sein?

Während ihres Studiums des Umweltingenieurwesens an der EPFL war Kenza fasziniert von den Auswirkungen, die eine Ware oder eine Dienstleistung im Lebensmittelsystem über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg auf Mensch und Umwelt haben kann. In ihrer Forschung analysiert sie die Zusammenhänge und befasst sich mit kniffligen Herausforderungen wie der Frage, wie Systeme angesichts von Klima-, Markt-, politischen und anderen Schocks widerstandsfähig sein können.

Kenza beginnt immer mit der Frage, wie man Krisen begegnet, dann, wie man sich an sie anpasst, und schliesslich, wie man das Lebensmittelsystem umgestalten kann, um es widerstandsfähiger zu machen.

Ihre Arbeit konzentriert sich darauf, wie Menschen, die entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette arbeiten, mit Schocks umgehen, und hebt die Doppelbelastung der Landwirt:innen hervor, die sowohl Umwelt- als auch Marktdruck ausgesetzt sind. Sie ist überzeugt, dass die Lebensmittel- und Agrarsysteme der Zukunft nachhaltig, gerecht und fair gestaltet werden müssen. Dies erfordert einen Systemwechsel hin zur Agrarökologie, während gleichzeitig eine gemeinsame Vision für unser zukünftiges Lebensmittelsystem geschaffen und geteilt werden muss, indem der Dialog zwischen den Beteiligten entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette gefördert wird – von den Ökosystemleistungen und der Landwirtschaft über die Verpackung, den Vertrieb und den Konsum von Lebensmitteln bis hin zum Umgang mit Lebensmittelabfällen.

Kenza arbeitet auf dieses Ziel hin, indem sie soziale Räume schafft und pflegt, in denen die Teilnehmenden Wissen und Praktiken zur Agrarökologie austauschen können. Sie hat auch begonnen, Kunst und Wissenschaft zu verbinden, um mehr Menschen mit diesen Ideen zu erreichen – ein Schritt, der ihre tiefe Verbundenheit mit der Geschichte und Kultur des Essens widerspiegelt, die durch frühe Erfahrungen in ihrer Heimat Marokko geprägt wurde.

Agrarökologie für den Wandel

Kenza plant, sich intensiver mit den politischen Dimensionen der menschlichen Gestaltung von Lebensmittelsystemen zu befassen. Dabei geht es unter anderem darum, verschiedene Narrative zu beleuchten, wobei der Schwerpunkt auf der Anerkennung und Bewältigung von Machtasymmetrien in unserem System liegt. Es geht auch darum, mögliche Alternativen aufzuzeigen – könnte unser Lebensmittelsystem beispielsweise auf der Grundlage von Genossenschaften oder dezentralen Gewerkschaften und Gemeinschaften statt auf der Grundlage grosser Unternehmen organisiert werden?

Sie ist davon überzeugt, dass zur Erreichung von keinem Hunger (SDG 2) die Lebensmittelsysteme mit einem dekolonisierenden und feministischen Blickwinkel betrachtet werden müssen, der Vielfalt, Selbstermächtigung und Partizipation fördert. Ihre Vision ist eine Welt, in der die Menschen in ihrem Handeln verwurzelt sind und ein Gemeinschaftsgefühl fördern, das einen radikalen, nachhaltigen und gerechten Wandel vorantreibt und nährt.

«Sei mutig, eine bessere und strahlendere Zukunft zu sehen, aber auch neugierig und offen, um den Weg zu ebnen»

Dr. Kenza Benabderrazik, Postdoktorandin und Dozentin in der Gruppe Nachhaltige Agrarökosysteme an der ETH Zürich

Gemeinsam Böden fruchtbar halten

Emmanuel Frossard

Prof. Dr. Emmanuel Frossard studierte und lehrte Agrarwissenschaften in Frankreich und Kanada, bevor er im Jahr 1994 Professor für Pflanzenernährung an der ETH Zürich wurde. Eines der grösseren und komplexeren Forschungsprojekte, die Emmanuel in seiner langen und bedeutenden Karriere durchgeführt hat, beinhaltet den Aufbau eines transdisziplinären Netzwerks von Partner:innen in Westafrika.

Wissenschaft-Praxis-Kooperationen

Durch das Netzwerk YAMSYS befassen sich Emmanuel und seine Partner:innen mit Problemen der Yams-Versorgung in Westafrika. Yams ist eine der wichtigsten Wirtschaftspflanzen in der Region. Sie bringt nicht nur Einkommen, sondern hat auch einen enormen ernährungsphysiologischen und kulturellen Wert. Doch der Anbau dieses Grundnahrungsmittels belastet die Umwelt und führt zur Abholzung der Wälder. Der Grund dafür ist, dass der grösste Teil des Produktionsanstiegs auf die Ausweitung der Anbauflächen und nicht auf die Steigerung der Erträge zurückzuführen ist. Das Problem liegt in der Qualität des Bodens: Ohne gesunde Böden müssen die Landwirte immer mehr Land roden, um die Produktion zu steigern. Wird Yams jedoch auf guten Böden angebaut, können die durchschnittlichen Erträge von 8-10 auf 40-50 Tonnen pro Hektar gesteigert werden. Da die Strategie, immer mehr Land abzuholzen, an ihre Grenzen stösst, zeichnet sich ab, dass es nicht möglich sein wird, eine wachsende Bevölkerung zu ernähren.

Emmanuel ist davon überzeugt, dass die Lösung des Problems von einer Kombination aus wissenschaftlicher Feldarbeit und enger Zusammenarbeit mit Partner:innen vor Ort abhängt. Die Wissenschaft kann die besten Lösungen vorschlagen – aber wenn sie niemand umsetzt, sind sie einfach nutzlos. Damit solche Kooperationen funktionieren, ist es seiner Meinung nach wichtig, Vertrauen in Forschungsmethoden und Kooperationsnetzwerke zu schaffen.

Böden für die Yams-Produktion fruchtbar halten

Emmanuel und sein grosses Forschungsteam untersuchten, wie Böden fruchtbar gehalten und wiederhergestellt werden können, um nachhaltig Yams anzubauen. Die Forschenden erprobten Strategien zur Bodenbewirtschaftung – manchmal unter rauen Bedingungen – und die örtlichen Landwirt:innen forderten sie heraus, indem sie ihnen Zugang zu Böden von schlechter Qualität gewährten. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, mussten die Forschenden also beweisen, dass sie auch unter ungünstigen Bedingungen nachhaltig Yams anbauen konnten. Dass es möglich war, überzeugte die lokalen Landwirt:innen, mehrere Vorschläge der Wissenschaftler:innen anzunehmen, z.B. Fruchtfolgen, Verwendung von Mineraldünger und Anbau von Leguminosen zur Erhöhung des Stickstoffgehalts im Boden.

Im Laufe dieser Arbeit baute Emmanuel ein Netzwerk von Landwirt:innen, lokalen und religiösen Behörden, Politiker:innen und sogar der Polizei in Westafrika auf und brachte sie über vier so genannte «Innovationsplattformen» zusammen, auf der die im Rahmen dieses Projekts gewonnenen Erkenntnisse ausgetauscht und diskutiert werden konnten.

Fortschritte brauchen Zeit und verschiedene Partner:innen

Der von YAMSYS entwickelte Ansatz wurde inzwischen von staatlich finanzierten Forschungs- und Entwicklungsprogrammen unter anderem in Côte d’Ivoire, den Vereinigten Staaten, Frankreich und Deutschland übernommen. Ein weiteres Zeichen für die Wirkung von YAMSYS ist, dass einer der Studenten, der mit YAMSYS gearbeitet hat, Landwirtschaftsminister in Burkina Faso geworden ist. Die Anerkennung durch westafrikanische Länder und darüber hinaus ist eine wichtige Bestätigung für das, was Emmanuel und seine Forschungspartner:innen erreicht haben.

«Wir müssen im Sinne einer transformativen Forschung denken, die Lösungen und Ideen liefert, wie wir das Lebensmittelsystem in Richtung Nachhaltigkeit bewegen können»

Prof. Dr. Emmanuel Frossard, Leiter der Gruppe Pflanzenernährung an der ETH Zürich

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